Der Langbogen-Spleen

Gubi's Langbogen-Seite

Seit drei Jahren beschäfigte ich mich angefressen mit Pfeil und Bogen der "traditionellen" Art. Erste Versuche mit zwei Besenstielen, einem Kinderbogen aus alten Ski, führten mich an meine "Hauptberufung": Dem Vollholz-Langbogen. Grösstmögliche Authenzität der Materialien und Herstellungsverfahren ist für mich die echte Herauforderung.

Hier eigene praxisgerechte Bauanleitungen zu verschiedenen Bogentypen.
Und noch ein Link zu einer guten Bauanleitung: www.bogenschiessen.de/equip/doit.html
Tipp: Versucht es zuerst mit Eschen- oder Haselholz. Hasel (Stecken von 7-10 cm Durchmesser) kann zur Not frisch geschnitten verarbeitet und nach dem Rohlingszustand (vor dem Endausbau!) getrocknet werden. Dauert dann nur wenige Tage.



Ein kleiner Exkurs in die Geschichte von Pfeil und Bogen

Schon seit Tausenden von Jahren wird der Pfeilbogen als Jagdwaffe von den Menschen genutzt. Natürlich (der homo sapiens sapiens ist halt nicht immer wissend und vernünftig)nicht nur zu jagdlichen Zwecken, sondern auch als hervorragende Fernwaffe für den Krieg. Die ersten bildlichen Zeugnisse eines Bogenschützen sind etwas über 6000 Jahre alt. Stilisierte Felszeichnungen in den Höhlen von La Gasulla und La Valltorta (Spanien) erzählen die Geschichte
eines Volkes von Jägern, das den Bogen auch als Waffe benutzte und gegen seine Widersacher ankämpfte. Pfeilspitzen (aus Horn oder Feuerstein) aus dieser Zeit sind viele erhalten geblieben. Die Holzbögen leider nicht. Hier sind nur noch wenige Spuren vorhanden. Der älteste Bogen, in den vierziger Jahren im Holmegaard-Moor auf Seeland, Dänemark, gefunden, datiert auf ca. 8000 v.Chr. Da in dieser Zeit die Eibe noch nicht häufig in Europa vorkam, waren kleine Ulmenstämmchen das bevorzugte Baumaterial. Das Design dieses Bogens zeugt von gehobenem "Know-how". Heutige Nachbauten beweisen die ausgeklügelte und leistungsfähige Machart.


Ötzi, die berühmte Gletscherleiche aus dem Tiesenjoch (Südtirol) hatte zwar einen Eibenstab und Pfeile dabei; doch war der Bogen aus dem Stab noch nicht fertig geschnitzt. Die Bogensehne (seines zerbrochenen Vorgängerbogens?) hatte er noch bei sich als er im ewigen Eis mumifiziert wurde. Schickte ihn eine Pfeilverletzung vor 5300 Jahren ins Jenseits? Pathologische Untersuchungen förderten (erst 2001) eine Pfeilspitze unter seinem linken Schulterblatt zu Tage!


In der Schweiz wurden 1942 im Lötschental im Gletscher drei gut erhaltene Eibenbögen gefunden. Diese Bögen sind im Museum von Kippel (VS) ausgestellt. Sie sind über 3000 Jahre alt! Nachbauten aus Eibenholz bestätigen die hervorragenden Eigenschaften dieses Bogentyps und zeugen von der grossen Handwerkskunst schon in dieser Zeit. Mit diesem Lötschentaler-Bogen konnte vom Hirsch bis zum Murmeltier so ziemlich alles erlegt werden (wenn man trifft......)




unten der Nachbau; oben der Gletscherfund





Im asiatischen Raum erfuhr der Bogenbau eine ganz andere Entwicklung. Lange sperrige Bögen waren für die Reitertruppen der Skythen nicht ideal. Zudem war das physikalisch geeignetste Eibenholz im asiatischen Raum nicht gut erhältlich. Es wurde der Reflex-Bogen aus Verbundmaterialien entwickelt. Ahornholz wurde in Knochen- und Fischleim eingelegt, und mit Tiersehen, Rohhaut und Hornplatten verstärkt. Die reflexe Form (ungespannt hatten diese Bogen die Form eines "C"; gespannt die eines "B") hatte weitere physikalische Vorteile. Die Herstellung solcher Bögen dauerte oft mehrere Jahre. Verschiedene Völker benutzten diese Komposit-Bogen: Perser, Parther, Hunnen, Awaren, Osmanen usw. Die höchstentwickelten Refexbogen waren die osmanischen Bögen. Gott sei Dank verloren diese in unserem feuchten Klima massiv an Zug und flogen dem Schützen gar um die Ohren, weil die Naturleime an Kraft verloren. Wien wurde im 16. Jahrhundert mehrmals von osmanischen Truppen belagert. Die osmanischen Bögen konnten ihr Potential nicht ausschöpfen. Die kleinen Reiterbogen konnten nicht mit der "mediteranen" Methode (die drei mittleren Finger ziehen die Sehne auf) geschossen werden, weil der Winkel der vollausgezogenen Sehne zu spitz wurde. Die asiatischen Völker behalfen sich mit einem eisernen Daumenring zum Spannen der Sehne. Die hervorragende Homepage der Steppenreiter gibt über die Entwicklungen der asiatischen "Bogenliebhaber" Auskunft.



Bei den Alten Griechen galten Fernwaffen als hinterlistig und wenig "männlich". Sie kämpften in dicht gedrängter Formation mit Schild, Lanze und Schwert. Doch wurden als Leibwachen der Mächtigen vielfach mit Bogen bewaffnete Skythen eingesetzt. Auch dienten die Skythen als Söldner der Griechen. Doch immerhin kommen Pfeil und Bogen in der Herkules-Sage vor . Auch wurden den sagenhaften Amazonen bei der Geburt die rechte Brust ausgebrannt, damit sie im Frauenalter nicht den vollen Auszug der Bogensehne behinderte.

Die Alten Römer verkannten zuerst jahrzehntelang den Wert von Pfeil und Bogen als Kriegsgerät. Nach vielen bitteren Lehrstunden durch gut organisierte feindliche Bogenschützen setzten auch sie Bogen-Söldner ein.

Die Alemannen waren richtige Bogen-Fans. Verschiedene Eibenlangbögen wurden als Grabbeigaben gefunden. Im schwäbischen Oberflacht gar mehrere gut erhaltene. Alemannische Bögen des Typs Oberflacht sind ca. 1.80 m lang, haben ein verstärktes Mittelteil und ein leicht 5-eckiges Schnittbild. Auch im Kanton Uri wurden alemannische Bögen geborgen. Geschmiedete Pfeilspitzen der Alemannen wurden in der Deutschschweiz, im vorarlbergischen, dem süddeutschen und im elsässischen Raum entdeckt. Breite Schneidespitzen mit Widerhaken für die Jagd. Spitze, stilettartige Spitzen zum Durchschlagen von Panzer und Kettenhemd der Gegner.

Im Jahre 451 zog Attila, der Hunnenkönig mit einem gewaltigen Heer, bestehend aus Hunnen, Ostgoten, Gepiden und Alanen aus Pannonien bis nach Gallien. Er bereitet den Rheinübergang vor und wird von den ansässigen Alemannen angegriffen, die er in dem unwegsamen Gelände nicht zu einer vernichtenden Schlacht stellen kann. Ihre Guerilataktik ist füer Attilas Heer äusserst nervenaufreibend. Überraschende Pfeil- und Speerhagel der tapferen Alemannen verunsicherten und dezimierten sein bis anhin ungeschlagenes Heer. In der späteren Entscheidungsschlacht auf den Katalaunischen Feldern gegen die Westgoten, Römer und Franken (unter dem Kommando des römischen Generals Ätius) bekam er auch prompt "eins auf die Nuss".

Weitere Bogenspezialisten sind die Wikinger gewesen. Der lange Wikingerbogen war meist aus Eibe gefertigt und hatte die Bogenenden leicht zum Schützen hin gebogen.Auch die Angeln, Sachsen und Friesen, andere Nordgermanische Stämme nahmen ihre Bögen mit, als sie mit ihren Langbooten die neue Heimat England (=Angeln-Land) kolonisierten. Trotzdem waren Pfeil und Bogen längst nicht die dominierende Kriegswaffe. Man verliess sich zu diesen Zwecken eher auf Schwert, Sax (langes Haumesser der Germanen), Axt, Lanze und Schild.

Auseinandersetzungen mit den keltischen Waliser waren schmerzhafte Erfahrungen welche bei den Engländern ein Umdenken bewirkten. Die Waliser wehrten sich sehr erfolgreich mit partisanenartigen Überfällen mit Pfeil und Langbogen. Grosse Zuggewichte der Bögen und geschmiedete, schmale Pfeilspitzen durchschlugen auch Panzerungen. Im Land der Angeln und Sachsen wurden fortan auch Bogenschützen taktisch eingesetzt. Es dienten in den englischen Reihen auch walisische Söldner. 1066 bei der Schlacht von Hastings wurden auf normannischer (ehemalige Wikinger die in der französichen Normandie lebten) wie auf angelsächsischer Seite viele Bogenschützen eingesetzt. Die Schlacht ging für die Angelsachsen übrigens massgeblich dadurch verloren, weil ihr König Harald von einem Pfeil ins Auge getroffen wurde und starb.
Die späteren Schottischen Kriege 1298-1332 perfektionierten den taktischen Einsatz der Bogentruppen. Bogner wurden massiert eingesetzt. Riesige Salven liessen eine Pfeilwand auf die Gegner. Die Bogner wurden gut ausgebildet. In England wurde per königlichem Dekret jeder freie Bürger zum Bogenschiessen verknurrt. Fussballspielen (das gab es in einer Frühform tatsächlich schon auf der Insel!) wurde bei dieser Gelegenheit gleich verboten. Gute Schützen erfreuten zur damaligen Zeit den König mehr, als gute Fussballer.

Zu den beeindruckendsten Ereignissen der Militärgeschichte des Mittelalters gehören sicher die Siege, die den Engländern mit Hilfe ihrer Langbogenschützen gegen weit überlegene französische Ritterheere gelangen. Am Anfang des Hundertjährigen Krieges hatte der englische König Edward III. bei seinem Einfall in Nordfrankreich 1339 sein Heer noch mit zahlreichen Rittersöldnern aus dem Reich verstärkt. Da die Franzosen aber eine Entscheidungsschlacht vermieden und den Engländern die Einnahme von Städten nicht gelang, waren ausgedehnte Verwüstungen das einzige Resultat dieser Kriegszüge. Bei der Anwerbung der teuren Rittersöldner hatte sich Edward jedoch finanziell derart übernommen, dass er vorerst auf sie verzichten musste. Als er nun zur Entlastungen seiner südfranzösischen Besitzungen 1346 in die Normandie einfiel, hatte er neben Rittern aus England und der Gascogne hauptsächlich Bogenschützen geworben, die aus seiner Sicht vor allem den Vorteil hatten billiger zu sein. Durch ausgiebige Plünderungen, die wahrscheinlich zum Teil den Sold ersetzen mussten, gelang es den Engländern schließlich die Truppen des französischen Königs auf sich zu ziehen. Doch dieser hatte ein so imposantes Heer zusammengebracht, dass es die Engländer vorzogen sich mit ihrer Beute nach Flandern in Sicherheit zu bringen. Als die Verfolger immer näher kamen, wählte Edward eine gute Verteidigungsstellung auf einem Hügel bei Crecy und erwartete den Angriff. Die französischen Ritter waren sich des Sieges so sicher, dass sie nicht versuchten ihre genuesischen Armbrustschützen vernünftig zum Einsatz zu bringen, oder gar die eigenen Truppen richtig zu positionieren: Sie griffen direkt aus dem Aufmarsch an, 15 bis 16 mal sollen sie es versucht haben und wurden dabei regelmäßig von den Bogenschützen zusammengeschossen. Am Ende bedeckten weit über 1'000 tote Ritter und hohe Adlige das Schlachtfeld, während die Engländer nur verschwindend geringe Verluste gehabt hatten. Als das französische Ritterheer 1356 dann noch einmal bei Poitiers und schließlich 1415 bei Azincourt ähnlich vernichtende Niederlagen hinnehmen musste, war für England der Hundertjährige Krieg zwar dennoch nicht zu gewinnen, die Welt aber um eine Legende reicher.

Die Enwicklung der Armbrust (schon im Altertum in China bekannt) schritt in diesen Zeiten auch mit Macht voran. Die Kompositbögen aus Eibe, Horn und Sehen wurde durch die neu entwickelten Stahlbogen ersetzt. Grosse Zuggewichte von 150 kg und mehr liessen auf kurze Distanz keinen Panzer mehr heil. Das Problem war die langsame Schussfolge (1 Bolzen / Minute). Dafür mussten die Armbrustschützen weniger Ausbildung geniessen, als wenn mit dem Langbogen ohne Zieleinrichtung nur per Gefühl gezielt werden musste. Auch die Engländer, als klassische Bogennation schlechthin waren sich über die zu bevorzugende Fernwaffe nicht einig. Richard Löwenherz war als Kreuzritter gegen schwer gepanzerte Gegner ein Befürworter der Armbrust. Sein Nachfolger Edward I war wiederum Bogenfan. Er kämpfte jedoch mehrheitlich gegen schwach gepanzerte Gegner in Wales und Schottland.

Die sagenhaften Siege der englischen Bogenschützen trieben ihren Wert auf dem "Söldnermarkt" in die Höhe. Sie galten als Garant für Siege. Doch die bösen Schweizer kratzten schwer am Lack der Bogensöldner aus England.
Karl der Kühne hatte Tausende von englischen Bogenschützen in seinem Heer. In den Schlachten bei Grancon und Murten (1476) sowie in der Schlacht bei Nancy (1477) wurden diese vom ungestümen Angriff der eidgenössischen Truppen einfach überrannt und vernichtet.

Die Entwicklung der Feuerwaffen machte die Diskussion Armbrust oder Bogen obsolet. Im 15. Jahrhundert setzten sich nach und nach die Feuerwaffen durch. Diese waren zwar anfangs für die Schützen fast gefährlicher als für den Gegner. Die Schussfrequenz war katastrophal langsam. Doch wenn die Kugeln trafen, war der Effekt hoch. Die Ausbildung der Schützen war viel einfacher.
Ende des 17. Jahrhundert wurden auch in England die letzten Langbogenregimente aufgelöst.

Seit Anfang des 20. Jahrhundert erlebt das Bogenschiessen als Sport wieder eine eigentliche Renaissance. Viele wurden bereits von diesem "Virus" befallen. Auch ich ..... Vielleicht auch Du bald......

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